Donnerstag, 1. Oktober 2015

Frag mich (nicht)!

Es gibt so Fragen, die will man als Student_in nicht hören. Ein Klassiker: „Was hast du schon so alles für die Prüfung gemacht?“ Ein anderer Klassiker: „Was willst du damit später mal machen?“ Besonders letzteres wird gern von sämtlicher Verwandtschaft gefragt und könnte nerviger nicht sein. Wenn man auf der Familienfeier zum vierundzwanzigsten Mal gefragt wird, diesmal von der Cousine der Großtante, möchte man am liebsten auf den Stuhl steigen, lautstark gegen sein Glas schlagen und in den Raum brüllen: „ICH HABE KEINE AHNUNG, WAS ICH MIT MEINER ZUKUNFT ANFANGEN WILL!!“

Mich als Medizinstudentin hat noch nie jemand gefragt, was ich eigentlich mit meinem Studium anfangen will. Die meisten Lehramtsstudent_innen wahrscheinlich auch nicht. Klar, ist ja auch logisch – wenn man irgendwas auf Lehramt studiert, will man Lehrer_in werden. Wenn man Medizin studiert, will man Ärzt_in werden.
Bei mir geht die Konversation meistens so:
Random Person: „Und, was studierst du?“
Ich: „Medizin.“
Random Person: „Ach, wie cool! Weißt du schon, worauf du dich spezialisieren willst?“
Gott, ich hasse diese Frage. Um es gleich vorweg zu nehmen: ich habe genauso wenig eine zutreffende, alle zufriedenstellende, konkrete Antwort darauf, wie 99% der Student_innen, die gefragt werden, was sie mit ihrem Studium später mal anfangen wollen. Je nach Person, die fragt, hab ich verschiedene Pseudo-Antworten. Wenn ich weiß, dass die Person nur aus Höflichkeit oder Vollständigkeit frage, sage ich meistens einfach, „weiß ich noch nicht“. Stimmt insofern, als dass ich mich tatsächlich (noch) nicht für ein Fachgebiet entschieden habe. Wenn es jemand aus der Verwandtschaft ist – meine Oma ist da immer ne gute Kandidatin – und ich weiß, dass der- oder diejenige sich mit einer schwammigen Weiß-nicht-Antwort nicht abwimmeln lässt, sage ich meistens, „so in Richtung Pädiatrie oder Psychiatrie interessiert mich“. Stimmt auch. Interessiert mich. Ob ich’s später machen will? Meine Güte, was weiß ich denn. Niemals übrigens nur eine Fachrichtung erwähnen, sonst hat man sich weitere Fragen über diese Fachrichtung angelacht. („Psychiatrie, ist ja spannend! Aber bestimmt auch selbst ganz schön belastend auf die Dauer, oder?“ – Ach, halt die Schnauze.)

Wenn die Person jemand ist, mit dem ich das Gefühl habe, diesbezüglich auf einer Wellenlänge zu sein, fällt die Antwort auch mal ausführlicher aus. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Person meine Gedanken zu dieser Frage nachvollziehen kann, versuche ich manchmal, ehrlich zu antworten, zumindest so ehrlich wie möglich, und damit Schritt für Schritt näher an die echte Antwort zu kommen.
Der Wahrheit am nächsten kommen würde es momentan wahrscheinlich, wenn ich auf einen Stuhl steigen, mit dem Löffel gegen mein Glas kloppen und in den Raum brüllen würde: „ICH HABE KEINE AHNUNG, WAS ICH MIT MEINER ZUKUNFT ANFANGEN WILL!!“

Manchmal wünsche ich mir ein bisschen, dass mal jemand mich fragt, was ich werden will.
Das Problem an der Frage nach meinem Fachgebiet ist, dass automatisch angenommen wird, ich weiß eh schon, was ich werden will, nur die Feinheiten sind noch unklar. Mein Abi ist mittlerweile über fünf Jahre her, damals war ich siebzehn. Muss ich mit zweiundzwanzig noch voll hinter dem Berufswunsch stehen, den ich mit siebzehn hatte?
Vermutlich erwartet das niemand wirklich von mir. (Außer vielleicht meiner Oma.) Aber es ist nun mal so, dass man von jemandem, der Medizin studiert, automatisch annimmt, dass er/sie Ärzt_in werden will. Das schafft eine Art unterbewusste Erwartungshaltung, die zumindest mir persönlich einen immensen Druck macht.
Ein Fachgebiet zu wählen und Facharzt zu werden ist natürlich nicht die einzige Möglichkeit, die man mit einem abgeschlossenen Medizinstudium hat. Es wird nur fast immer suggeriert. Und nicht nur von Außenseitern. Mein Prüfer bei meiner praktischen Gynäkologieprüfung im Juli fragte mich mit leuchtenden Augen, ob ich nicht Gynäkologin werden wolle, oder ob mich ein anderes Fachgebiet mehr interessiere. Die Turnusärztin, der ich am Dienstag im Unipraktikum über die Schulter geguckt habe, wollte wissen, ob ich mich schon für einen Facharzt entschieden habe und meinte im nächsten Atemzug, Pädiatrie würde mir bestimmt liegen. Der Amtsarzt, bei dem ich letztes Jahr ein paar Tage hospitiert habe, meinte zum Abschied: „Werden Sie Kinderarzt.“ Sogar meine Oma war Krankenschwester und weiß, wovon sie redet.

Mit einer Kommilitonin saß ich heute am Uniklinikum im Garten und wir sprachen darüber, auf was wir uns spezialisieren wollen. Sie fragte mich: „Na, was willst du denn werden, wenn nicht Ärztin?“ Ich wusste darauf genauso wenig eine Antwort, wie der International-Affairs-Student, den man fragt: „Was willst du damit später mal machen?“ Ich wünschte, ich hätte eine. Ich wünschte, ich wäre so wie meine Freundin, die, wenn nach dem Fachgebiet gefragt, wie aus der Pistole geschossen sagt: „Derma.“ Ich wünschte, ich wäre wie mein Freund, der voller Enthusiasmus für den Arztberuf ins Studium gegangen ist und auf die gleiche Frage antwortet: „Notfall, Unfallchirurgie, Gyn… das ist alles so verdammt spannend!“
Ich wünschte, die gesellschaftlichen Normen würden mir mehr Entscheidungszweifel zugestehen. Ich wünschte, ich würde mich weniger um gesellschaftliche Normen kümmern und mir weniger Limits setzen lassen – ich wünschte, ich wüsste Alternativen.

Ich wünsche mir, dass mich jemand nach meinem Studiengang fragt, und dann: „Was willst du später damit machen?“ Damit ich aus Inbrunst und mit voller Überzeugung antworten kann: „Keine Ahnung.“

Mittwoch, 30. September 2015

Kleiner Disclaimer

Weil ich gerade einen Blogpost schreibe, bei dem es mir auf der Hälfte aufgefallen ist, möchte ich die Zeit nutzen und einen kurzen "Disclaimer" anbringen.
Ich werde mich bemühen, auf diesem Blog meistens genderinklusive Sprache zu benutzen, besonders bei der Pluralbildung von Substantiven. Dafür hab ich so meine Gründe, die ich vielleicht mal in einem Post ein bisschen ausführen werde, vielleicht aber auch nicht. Viel mehr möchte ich an dieser Stelle eigentlich auch nicht dazu sagen, ich wollte es nur mal anmerken, damit ihr euch drauf einstellen könnt.
Ich weiß, dass diese Form von einigen als störend für den Lesefluss angesehen wird, aber darauf kann und möchte ich an dieser Stelle und auf meinem persönlichen Blog keine Rücksicht nehmen. Ich hoffe natürlich, dass es für die meisten von euch, die meinen Blog eventuell lesen, keinen großen Unterschied macht. ;)

Nane out.

Sonntag, 27. September 2015

Bestandsaufnahme

Ich fange ständig mit neuen Dingen an.
So bin ich einfach, ich bin neugierig, einigermaßen experimentierfreudig, begeisterungsfähig und habe ständig Angst, irgendwas zu verpassen. Die meisten Sachen halte ich so zwischen zwei Wochen und plusminus vier Monaten durch, bis sie graduell immer weniger Interesse bei mir wecken. Dann fange ich an, sie im alltäglichen Leben zu vergessen, mich nur noch sporadisch und aus Pflichtbewusstsein damit zu beschäftigen, und nach und nach schläft meine Aktivität einfach ein. Ich will gar nicht wissen, wie viele inaktive Profile von mir auf irgendwelchen Internetseiten vor sich hingammeln, wo ich mich mal irgendwann angemeldet habe und dann das Interesse verloren habe.
Ab und zu bleibe ich auch am Ball. Das ist eher die Seltenheit, aber es kommt vor.

Tagebuch schreiben ist auch so ein Ding, Bloggen ein anderes. In meinem alten Zimmer im Haus meiner Eltern stehen ungefähr hundert alte Notiz- und Tagebücher im Schrank, von denen immer die ersten drei, vier Seiten beschrieben sind – der Rest entweder leer oder mit anderem Quatsch vollgekritzelt. Meistens leer. Das erste Notizbuch, das ich wirklich exzessiv und fortlaufend benutzt habe, ist tatsächlich mein aktuelles weinrotes Moleskine-Notizbuch. Ich hab jetzt schon Angst vor dem (nicht allzu fernen) Moment, in dem es voll ist.
Ich kann mich erinnern, dass ich schon das eine oder andere Mal den Versuch gestartet habe, zu bloggen. Im Zusammenhang mit Schreibprojekten, im Zusammenhang mit Veränderungen in meinem Leben… Ich muss wahrscheinlich nicht mehr erwähnen, wie diese Versuche meistens endeten.

Und jetzt?

In einem Monat werde ich dreiundzwanzig, und seit einer Weile bin ich in ständigem Wechsel hin- und hergerissen zwischen „mann, bin ich jung“ und „mann, bin ich alt“. Jung, weil ich es im Grunde wirklich noch bin. Angenommen ich plane, hundert zu werden (mal sehen, ne?), habe ich noch nicht mal ein Viertel meines Lebens hinter mir.
Sich alt zu fühlen, wenn man eigentlich noch jung ist, ist da schon eine andere Sache. Das hängt wahrscheinlich mit verschiedenen Dingen zusammen, unter anderem damit, dass ich in letzter Zeit mehr und mehr ein gewisses Gefühl der Ziellosigkeit in meinem Leben habe. Und entweder bin ich in meinem Umfeld damit ziemlich alleine, oder die anderen können es einfach nur gut verstecken. (Ich tippe auf letzteres, aber Rationalität hilft bei solchen Sachen sowieso nicht viel.)
In einem Monat werde ich dreiundzwanzig, und momentan bin ich so ziel- und planlos, wo mein derzeitiges Leben hinführt – und auch wohin ich möchte, dass es führt – wie vorher noch nie. Man erinnere sich an die oben erwähnte Angst, etwas zu verpassen.
Dieses Gefühl der Planlosigkeit hat mich in meiner unschlagbaren Logik (von der ihr in Zukunft wahrscheinlich die eine oder andere Stichprobe genießen werden dürft) zu drei Schlüssen geführt.
Erstens: Ich möchte anfangen, bewusster zu leben. Ich möchte mich selbst und meine Gedanken und Meinungen und Gefühle zu verschiedenen Dingen besser kennen lernen, damit ich hoffentlich nach und nach wenigstens ansatzweise zusammenpuzzeln kann, was so meine Ziele und Wünsche sind.
Zweitens, in Konsequenz aus erstens: Ich glaube, dass ein Tagebuch mir dabei helfen könnte.
Drittens, in Konsequenz aus oben erwähnten Eigenschaften von mir: Da es meiner Motivation immer zuträglicher ist, wenn Reflektion über meine Erlebnisse und Gedanken nicht nur intrinsisch-isoliert in einem verschlossenen Tagebuch passiert, sondern offen für die Reaktion von und den Austausch mit anderen Personen…
Na ja. Ihr könnt es euch ja denken. Blog it is.

Und um etwas verspätet dann doch mal zum Punkt zu kommen: Herzlich willkommen auf meinem niegelnagelneuen persönlichen Blog.
Ich bin mir nicht sicher, wer meine geistigen Produkte hier überhaupt lesen wird – zugegeben, richtig spannend werden sie nicht sein. Ich freu mich aber trotzdem über jeden potentiellen Leser. Macht es euch bequem. Lehnt euch zurück. Nehmt euch nen virtuellen Keks.
Ich kann nicht versprechen, wie regelmäßig ich hier updaten werde. Immer dann, wenn mir gerade was einfällt, was je nach Uni- und Arbeitspensum mehrfach am Tag oder einmal im Monat sein kann. Allerdings hat mir die liebe Jade einen Tipp mit Blogging-Vorgaben gegeben, die ich eventuell in Zukunft mal ausprobieren werde.

Im Moment wurstel ich mich noch durch die noch-nicht-ganz-Nane-kompatible Benutzeroberfläche von Blogger, aber ich bin zuversichtlich, dass ich mich irgendwann ausreichend damit auseinander gesetzt habe, damit das alles hier auch ein bisschen schön ist. Mit Tags und Navigationsleiste und so. Vielleicht. Hoffentlich. Vielleicht nicht. Technik und ich sind uns nicht immer grün… aber das wird schon.


So long, and thanks for all the fish!