Ja, ich mach das
jetzt. Ich schreibe jetzt einen Blogpost über meinen ganz individuellen
Zusammenhang zwischen Popkultur, Fandom und Identität. Zumindest ist das das
Thema, was man vielleicht mit zusammengekniffenen Augen, hochgezogenen
Augenbrauen und dem Kopf im 31-Grad-Winkel erkennen kann.
Ich habe überlegt,
wie weit ich ausholen möchte, und in wie weit das hier ein Online-Coming-out
wird. Ich mag das nicht besonders, auf diese Art im Internet über meine
Identität zu reden, à la, das und das und das ist, als was ich mich identifiziere,
und hier ist warum. (Unter anderem weil ich auch nicht der Meinung bin, dass
ich es explizit jedem, der vielleicht mal irgendwie online über meinen Blog
stolpert, auf die Nase binden muss.) Ein Geheimnis ist es aber nicht, und
mittlerweile bin ich gegenüber den meisten relevanten Reallife-Menschen ‚out‘,
also fragt halt einfach, wenn ihr es gerne wissen wollt.
Aber zurück zum
Thema. Lasst mich euch auf eine kleine Zeitreise mitnehmen, und zwar in den Mai
2013.
Als ich gerade
in meinem Twitter-Archiv nach dem genauen Zeitpunkt gesucht habe, war ich fast
ein bisschen überrascht, weil es sich subjektiv anfühlt, als würde es viel
länger als dreieinhalb Jahre zurückliegen. Ich war damals im vierten
Studiensemester, wohnte mit jemandem zusammen, mit dem ich überhaupt nicht auf
einer Wellenlänge war und war dementsprechend häufig alleine in meinem Zimmer.
Mit dem Sozialisieren tat ich mir damals noch schwer(er als heute). Ich hatte
ein bisschen verpasst, mich vom Anfang meines Studiums an in soziale
Aktivitäten einzuklinken und hatte das Gefühl, den Anschluss verloren zu haben;
den Zeitpunkt verpasst, mir auf der Uni einen Freundeskreis aufzubauen. Ich
hatte versucht, einem Orchester beizutreten, war aber beim Vorspielen
durchgefallen und dementsprechend desillusioniert, was meine Musik anbelangte.
Einen Sportkurs hatte ich im Semester davor versucht und nicht durchgezogen.
Für die Uni hatte ich viel zu tun, konnte mich aber nicht dazu motivieren, so
viel zu arbeiten, wie ich es im Nachhinein hätte tun sollen. Das alles trug
dazu bei, dass ich einen Großteil meiner Freizeit vor dem Laptop verbrachte.
Ich war damals im Fanfiction-Bereich ziemlich aktiv, vertrödelte aber auch eine
Menge Zeit auf Youtube und mit diversen Filmen und Serien.
Nun schreibe ich
schon seit einer ganzen, ganzen Weile Fanfiction, und damals, im Mai 2013, sah
meine Einstellung diesbezüglich so fundamental anders aus als heute, dass es
fast lustig ist, wenn es nicht auch ein bisschen traurig wäre. Wenn ich heute
darüber nachdenke, was man alles internalisieren kann, ohne es zu merken…
In erster Linie
hielt ich mich damals für eine ziemliche… nennen wir es „Canon-Puristin“, und
hielt in diesem Zusammenhang das strikte Einhalten des Canon als das Non Plus
Ultra der Fanfiction-Schreibkunst. Ich nutzte diese Einstellung, um auf
ziemlich viele Dinge herabzusehen – aber in erster Linie auf non-canon slash. (Internalisierung
sei Dank.) Slash-Pairings, ja, okay, so weit war ich schon. Aber bitte nur,
wenn es auch im Canon ausbuchstabiert wurde, dass die Charaktere zusammen
waren. Man muss ja nicht immer alles verslashen, wo kämen wir denn da hin.
(2016-Me: an einen guten Ort – please make it gayer.) Dass ich kein Problem mit
einem völlig aus der Luft gegriffenen Hetero-Pairing hatte, fiel mir damals
nicht auf. Hauptsache dem Pairing wurde nicht explizit im Canon widersprochen. Ich
glaube, die Ursachen dafür würden hier den Rahmen sprengen, vor allem auch, weil
ich selbst noch dabei bin, sie auseinander zu bauen. Vermutlich hat es auch in
gewisser Weise mit der Sexualisierung von Slash-Pairings durch (vermutlich in
erster Linie) straighte Autorinnen zu tun. Ein Slash-Pairing (ugh, ich mag den
Begriff nicht, aber er gehört leider zur korrekten fandomgeschichtlichen
Einordnung) war für mich damals automatisch sexuell konnotiert, und mit
jeglicher sexueller Konnotation war ich sowieso überfordert (und mit
Hetero-Pairings war das damals leichter zu umgehen).
Soweit nur mal
zu meinem Hintergrund, den ich im Mai 2013 hatte.
Dann kam Star
Trek: Into Darkness ins Kino.
Auch wenn das
jetzt vielleicht einiges mit persönlichem Geschmack zu tun hat: Ich kam aus dem
Film und war angepisst. Ich war angepisst von Khan, der mir so überhaupt nicht
gefallen hatte. Ich war angepisst vom Rest der Welt, der Benedict Cumberbatch
für seine Rolle über den grünen Klee lobte. Ich war auch 2013 schon ein
bisschen angepisst, dass ein weißer Schauspieler eine Rolle übernommen hatte,
die ursprünglich eine Person of Colour gespielt hatte, und dass der Großteil
der Kritiken ersteren auch noch besser zu finden schien. Ich kam nach Hause und
war so angepisst, dass ich mich aus Prinzip hinsetzen und Zorn des Khan gucken
musste. Anschließend guckte ich dann noch Zurück in die Gegenwart, und dann
dachte ich mir, warum sollte ich eigentlich nicht mal mit der Originalserie
anfangen. So ganz klassisch, ganz von vorne. Nicht dass mir Star Trek so gar
kein Begriff war (meine Mum ist ein Trekkie der ersten Stunde), aber TOS hatte
ich bis dato tatsächlich nur sehr sporadisch gesehen.
Ich wusste
vorher, dass Kirk und Spock ein Pairing sind, das unglaublich viele Leute
shippen, auch wenn mir die Zusammenhänge nicht besonders klar waren. Aber
natürlich war ich im Vorfeld überzeugt, dass mir das sowieso nicht passieren
würde. (Non Canon Slash, ihr erinnert euch. Und schließlich hatte es ja in den
Reboot-Filmen auch gut funktioniert, sie nur als Freunde zu sehen.)
Ich möchte an
dieser Stelle nicht allzu sehr auf die Diskussion eingehen, ob Kirk/Spock nun
Canon ist oder nicht. In erster Linie war es für mich schon nach ungefähr drei
Folgen unmöglich, es nicht zu shippen. Es ging. Einfach nicht. Ich weiß nicht,
ob es Menschen gibt, die TOS ansehen und sich denken, mh, ja, die sind schon
ganz gute Bros oder so. Ich weiß es nicht, ich kann es mir aber wirklich schwer
vorstellen.
Ich glaube,
jetzt bin ich so langsam am Punkt dieses Posts angekommen, denn es folgten
mehrere Dinge. Es klingt immer ziemlich blöd, so Sachen zu sagen wie, „ich hab
Serie XY angeguckt und dabei realisiert, dass ich bi bin“. Und so war es auch
nicht, zumindest nicht ganz so einfach und isoliert von sämtlichen anderen
Einflüssen. Es ist aber wahr, dass ich durch TOS und durch Kirk/Spock
angefangen habe, über einige Dinge näher nachzudenken, die mich sonst
vielleicht noch viel längere Zeit gekostet hätten, oder über die ich – Gott bewahre
– ohne TOS vielleicht nie nachgedacht hätte. Zum einen war da mein erster „Non
Canon Slash Ship“. Ich glaube, das war einfach so eine Art… Tropfen, der das
Fass zum Überlaufen brachte. Eine Art unsichtbare Sperre, die erst überwunden
werden musste, ehe sich völlig neue Perspektiven ergeben konnten. Zum anderen
war da James Kirk: der erste Charakter, der in meinem Headcanon bisexuell war.
Ich habe nie daran gezweifelt, dass sich Kirk zu Frauen hingezogen fühlt, aber
noch weniger habe ich daran gezweifelt, dass er sich hoffnungslos und
unwiderruflich zu Spock hingezogen fühlt. Was diese Erkenntnis für mein
Selbstbild bedeutet hat, kann ich gar nicht in Worte fassen.
Und es gibt noch
eine Sache, an die ich mich ab und zu zurück erinnere, von der ich heute sicher
bin, dass sie ein massiver Schritt in eine neue Richtung war. Ich konnte Spock
als asexuell (oder zumindest Ace-Spektrum) headcanon-en, und ich war in der
Lage, in die Kirk/Spock-Beziehung etwas hineinzulesen, was definitiv mit Liebe,
aber nichts mit sexueller Anziehung zu tun hatte. Ich erinnere mich an eine
Konversation, die ich diesbezüglich hatte, in der ich zum ersten Mal in Worte
fassen konnte, dass für mich eine Beziehung nichts mit Sex zu tun haben muss,
um echt und wertvoll zu sein – und eben trotzdem abzugrenzen von Freundschaft.
Das alles war
vor dreieinhalb Jahren und wurde gefolgt von einer langen, langen Periode, in
der ich verschiedene Labels und Identitäten kennen gelernt habe. Einige davon
habe ich ausprobiert und verworfen. Einige habe ich behalten. Mittlerweile ist
es November 2016 und ich bin an einem Punkt, an dem ich für mich selbst gar
nicht mehr so ganz strikt nach Labels gehen muss, um mich in meiner Identität
zu Hause zu fühlen.
Es klingt ein
bisschen doof, aber dass ich diesen letzten Absatz da gerade schreiben konnte…
ich glaube, das habe ich zu einem gewissen Teil TOS zu verdanken. Nicht dass da
nicht noch eine Menge anderer Dinge mit reingespielt hätten. Aber ich glaube schon,
dass in der Zeit vor dreieinhalb Jahren, in der für mich eine Phase der
Umstrukturierung begonnen hat, TOS einen entscheidenden Anstoß dazu geliefert
hat, dass ich heute sagen kann: ja, ich fühle mich wohl mit meiner Sexualität.
Und das ist der
Grund, warum TOS, und besonders Kirk/Spock, für den Rest meines Lebens einen
ganz besonderen Platz in meinem Herzen belegen wird.
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